Die leidvollen Erfahrungen eines Vollblut-Hütehundes


Nachruf Pronto

Ahnentafel Pronto

Unser "Pronto" hatte es schwer, seiner züchterischen Berufung gerecht zu werden.

Seine Eltern, eine hochprämierte Mutter und ein Vater, der noch als echter Hütehund fungierte, sollten doch voll Stolz auf diesen Sohn blicken. Das war wohl Prontos Meinung. Er probierte zumindest alles, dieses Ziel zu erreichen.

Angefangen bei einem lebenden Rasenmäher, der gemächlich an der Kette graste und den absolut nichts aus der Ruhe brachte. Bis Pronto in Aktion trat. Zuerst wurde dieses hünenhafte Untier nur verbellt. Als nichts Negatives folgte und selbst bei Kontaktaufnahme mit der Nase noch nichts passierte, ging Pronto vorsichtig weiter seiner inneren Berufung nach. Anfänglich lief er nur laut bellend neben dem Schaf her, wenn dieses aus dem Stall geholt wurde. Dann ging er dazu über, sich bellend und knurrend immer wieder ins seitlich lang herunterfallende Fell zu hängen, bis er zuletzt darauf kam, dass die wirksamste Methode doch war, hinten an das kurze Schwanzende des Schafes zu springen und dort nach und nach das spärliche Fell abzurupfen. Daraufhin lief es endlich etwas schneller. Blöd war nur, dass damit sein 13-jähriges Herrchen nicht einverstanden war und ihn einsperrte, wenn er "Flecki" (den Schafsbock) holen wollte. Da half selbst kein jämmerliches Jaulen und an der Türscheibe Auf-und Niederspringen. Herrchen wollte offensichtlich nicht so schnell laufen. Nun, dann musste Pronto sich eben auf die Trainingsstunden zwischendurch beschränken. Wurde er herausgelassen, führte ihn sein Weg mit vollem Tempo und erwartungsvoll bellend erst einmal zu Flecki. Anfangs kümmerte es den wenig, wer da um ihn herumsprang. Aber nachdem Pronto immer wieder das Schwanzende auserkor und nach zärtlichem Ohren-Abschlecken plötzlich lautstark genau dort hinein bellte, wurde es selbst diesem gutmütigen Tier zu viel und es fing an, sich zu wehren. Wenn Pronto nun zu aufdringlich wurde und nicht genügend aufpasste, musste er schon ein paar kräftige Kopfstöße einstecken. Das tat der Liebe zwar keinen großen Abbruch, aber es machte nicht mehr so viel Spaß.

Gut, dass es noch andere Möglichkeiten gab.

Da war nämlich noch ein Amselnest. Frauchen war ganz glücklich. Ein Amselnest in Brusthöhe. Damit gut einsehbar, direkt neben dem Räucherofen. Sie ging ständig daran und beobachtete das Geschehen darin. Bis ihr eines Tages die inzwischen flügge gewordenen fünf Kleinen laut piepsend um den Kopf davonflogen. Endlich eine Aufgabe für Pronto. Er stürzte hinterher. Wo wollten diese Tiere hin? Sie gehörten doch ins Nest. Also nicht weglassen! Die kleinen Amseln, noch ungeübt nach kurzem Flug auf dem Boden gelandet, wurden verfolgt und gestellt. Eine im Efeu, eine Weitere unter dem Auto, eine zwischen dem Brennholz, u.s.w. Frauchen versuchte natürlich erfolglos, sie wieder einzufangen und ins Nest zu setzen. Ihre Unfähigkeit liess sie dann noch an Pronto aus. Angeblich war er die Ursache für die immer aufgeregter werdenden Vögel und scheuchte ihn schließlich weg, als er bereits vor dem Nest wichtig seine Wache bezogen hatte. Schwer beleidigt verzog er sich.

Einige Zeit später wurde eine Fahrt zur Oma gemacht, die eine herrlich große Schafherde auf der Weide hatte. Bei deren Anblick schlug Prontos Herz endlich wieder höher vor Freude. Ihn störte nicht einmal der elektrische Zaun, der die Weide umgab. Pronto setzte sich einfach davor und beobachtete voll Genuss und ganz gelassen die grasende Herde. Plötzlich jedoch fingen einige der vielen Lämmer an, sich zu jagen und mit Bocksprüngen davonzustieben. Augenblicklich war es mit Prontos Ruhe vorbei. Ohne jegliche Vorwarnung für das danebenstehende Frauchen stürmte er in Richtung Schafe und voll Elan in den Zaun. Dummerweise ging just in dem Moment, in dem seine Nase den Zaun berührte, ein Stromstoß hindurch. Der ist bei den Schafzäunen um Einiges stärker, als bei den normalen Weidezäunen. Prontos Aufjaulen, sein auf den Rücken fallen und dort jammernd und zuckend liegen bleiben, ließen Frauchens Herz beinahe stehen bleiben vor Schreck. Schnell wurde er auf den Arm genommen und beruhigt. So erholte er sich ganz langsam wieder.

Dann kam jedoch das frustrierendste Erlebnis!
Frauchen bekam einen neuen Hahn geschenkt. Ein richtiges Prachtexemplar, einen Riesen-Brahma! Wie es der Name schon sagte, ein ausgesprochen großes Tier. Der wurde zu den Ostern geschlüpften und inzwischen der Mutter entwöhnten Küken gesperrt. Er zeigte sich auch ganz brav und übernahm sofort eine beschützende Funktion. Frauchen war recht stolz auf dieses hübsche Tier und zeigte es interessierten Besuchern. Der Hahn stand dann immer völlig desinteressiert dabei und ließ sich bestaunen. Als jedoch einmal Pronto mit in das Gehege schlüpfte, sich ganz brav hinlegte und mit vielleicht einem ganz klein wenig erzieherischen Blick die sich jagenden Küken beobachtete, kam doch von hinten unbemerkt dieser Riesenhahn und sprang ihm laut schimpfend und hackend auf sein Hinterteil. Was blieb einem stolzen Hund in dieser Schrecksekunde noch anderes übrig, als reaktionsschnell aufzuspringen und in Panik jaulend davonzustürzen.
Somit war auch das Thema Hahn und Küken uninteressant geworden.

Was blieb ihm denn nun noch?
Sicher, da waren die drei Jungens, mit denen man prima Fangen spielen oder in der Riesensandkiste buddeln konnte. Aber auch da gab es Einschränkungen. Hatten sie Freunde da und es war somit mal eine echte Horde (oder Herde)) Kinder beisammen und Pronto geriet so richtig in Fahrt, so wurde er selbst da ausgeschimpft. Dabei wußte er noch nicht einmal, warum. Denn er tat doch nur seine Pflicht! Kreiste sie ein, scheuchte (versuchte es zumindest;) sie bei Ausbruchsversuchen zurück und naja, wenn einer mal gar nicht hören wollte, zwickte er den schon mal leicht in die Ferse. Aber was sollte diese Anstellerei? Sie konnten doch schließlich zusammenbleiben, wie es sich gehört, oder?

Wäre da nicht noch der wundervolle Freund, ein kleiner Lhasa Apso mit Namen "Lumpi" gewesen, der einen immer wieder aufgerichtet hat und mit dem man alle Spiele, Hüte-und Stellversuche durchtesten konnte, was sollte da wohl das immer wieder aufwallende Hüteblut in seinen Adern?

Natürlich war da noch die Familie, die er zwar heiß und innig liebte und die ihm auch das gleiche Gefühl entgegenbrachte, jedoch fehlte es denen wohl am richtigen Verständnis für einen Hütehund.
Warum sonst würden sie wohl auch noch über seine Mißerfolge gelacht haben?
Echt frustrierend, bis hin zur Beleidigung!!